Juristin Brosius-Gersdorf bei Markus Lanz: „Meinungsfreiheit und Pressefreiheit haben Grenzen“

Trotz oder gerade wegen der nicht abreißenden Kritik an ihrer Person wagt sich Frauke Brosius-Gersdorf in die Höhle des Löwen. Doch Markus Lanz, der für seinen bohrenden Fragenstil bekannt ist, zeigt sich milde. Die Juristin und SPD-Kandidatin für das Richteramt am Bundesverfassungsgericht sei „völlig unverschuldet in einen Entrüstungssturm geraten“, sagt der Moderator.
Lanz fragt: „Ist sie eine Kulturkämpferin, sogar eine Linksextremistin, zu der sie manche machen? Oder ist sie möglicherweise das Opfer einer Kampagne?“ Brosius-Gersdorf zögert nicht lange: „Mir ist daran gelegen, zur Versachlichung der Debatte beizutragen.“ Ihre Aussagen seien aus dem Zusammenhang gerissen worden – schuld daran seien vor allem die Medien, insbesondere die FAZ, die sich auf anonyme Quellen berufe. Pressefreiheit habe Grenzen, betont sie.
„Das war eine recht pauschale Medienschelte“Wenige Stunden vor der Sendung hatte Brosius-Gersdorf eine schriftliche Stellungnahme veröffentlicht, in der sie einzelne Medien scharf kritisierte. „Das war eine recht pauschale Medienschelte“, sagt Lanz. Die Juraprofessorin widerspricht: Sie habe sich gezielt auf einzelne Medien und Journalisten bezogen, „die sich auf anonyme Quellen einzelner Politiker berufen haben“, insbesondere auf „eine Ministerin aus dem Bereich der Justiz“.
Brosius-Gersdorf spielt auf einen Artikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung an. Ihrer Meinung nach gebe es keinen Grund, warum diese Quellen anonym bleiben dürften. War der Bericht tendenziös? Lanz fragt nach, sie weicht aus. Er betont: Die Kollegen der FAZ hätten „einen guten Job gemacht“. Brosius-Gersdorf widerspricht: „Ich finde nicht, dass man seinen Job macht, wenn man aus dem gesamten wissenschaftlichen Wirken einer Person einzelne Themen herauslöst.“
Ihre Positionen zur Impfpflicht, zum Abtreibungsrecht oder zur Kopftuchfrage seien nur ein marginaler Teil ihres „wissenschaftlichen Werks“. Es sei selbstverständlich, dass jemand, der sich für ein so hohes Amt zur Verfügung stelle, sich der öffentlichen Debatte und Kritik stellen müsse, auch wenn diese „zugespitzt und hart“ sei. Doch es gebe Grenzen: „Meinungsfreiheit und Pressefreiheit sind unser höchstes Gut, aber auch das hat eine Grenze.“
Diese sei erreicht, „wenn wir eine Debattenkultur haben, in der wir mit Meinungen und Positionen, die nicht den eigenen entsprechen, diffamierend oder beschämend umgehen“. Besonders die Berichterstattung zum Thema Schwangerschaftsabbruch habe sie als falsch empfunden – allerdings „nur durch einzelne“ Medien.
Die Juristin äußert sich zur ImpflichtIm weiteren Verlauf der Sendung erläutert Brosius-Gersdorf ihre tatsächlichen Haltungen, etwa zur Impfpflicht. Während der Corona-Pandemie habe sie sich wissenschaftlich mit Problemen befasst, um „einen Beitrag zu leisten“. Damals, im November 2021, habe sie eine Impfpflicht nicht ausgeschlossen. Heute sehe sie das differenzierter: „In der jetzigen Perspektive haben wir einen anderen Wissensschatz.“
Zum Schluss wiederholt sie nochmal: Sie sei weder Aktivistin noch Politikerin, sondern Wissenschaftlerin. Auf die Frage von Markus Lanz, ob sie an ihrer Kandidatur festhalte, selbst wenn das Bundesverfassungsgericht dadurch Schaden nehmen könnte, antwortet sie: „Sobald das auch nur droht, würde ich an meiner Nominierung nicht festhalten. Ich will für einen solchen Schaden nicht verantwortlich sein – und auch nicht für eine Regierungskrise in diesem Land.“
Berliner-zeitung